Verpackungsqualität mit künstlicher Intelligenz prüfen und sichern I
Digitalisierungsprojekt mit der Wilhelm Brandenburg GmbH & Co. OHG
Nicht jedes Digitalisierungsprojekt startet als ein solches. Ursprünglich wollte Dr. Luu Hoang einen Workshop zum Thema künstliche Intelligenz in der Produktion besuchen, um sich für sein Unternehmen zu informieren. Die Wilhelm Brandenburg GmbH & Co. OHG stellt in sechs Betriebsstätten mit ca. 3000 Mitarbeitenden Fleisch-, Wurst- und Schinkenspezialitäten her. Herr Hoang arbeitet als Manager für Digitalisierung und Industrie 4.0 am Standort Frankfurt am Main, wo Wurstwaren hergestellt und in elf Verpackungslinien für die Auslieferung in den Einzelhandel vorbereitet werden.
Leider konnte der Workshop nicht wie geplant stattfinden. Die Mitarbeiter des Instituts für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) machten Herrn Dr. Hoang daher auf weitere Angebote des Mittelstand-Digital Zentrums aufmerksam, mit denen Unternehmen auch über die Seminare und Workshops hinaus geholfen werden kann. Er vereinbarte zunächst ein telefonisches Fachgespräch mit einem der Dozenten des verschobenen Workshops. Der Austausch mit Christian Kubik vom Institut für Produktionstechnik und Umformtechnik (PtU) fokussierte sich schnell auf das Thema Verpackung. Hier fanden beide die größten Schnittstellen zwischen dem Maschinenbau-Institut und dem Lebensmittelhersteller. Das zum Mittelstand-Digital Zentrum gehörige PtU beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit Tiefziehprozessen von Blechen und deren Qualitätsüberwachung sowie der Effizienz der dazu nötigen Anlagen. Auch bei der Wilhelm-Brandenburg werden in der Verpackungsstation in einem vorgelagerten Schritt Kunststoffverpackungen tiefgezogen, um anschließend die Wurstwaren teils vollautomatisch, teils halbautomatisch über ein Fließband zu sortieren, zu platzieren und einzulegen. Abschließend wird die Verpackungsfolie aufgezogen und unter Schutzatmosphäre festgeschweißt. Während des Verpackungsprozesses können jedoch unterschiedliche Defekte wie Folienrisse, fehlerhafte Etikettierungen und Leerverpackungen ohne Inhalt auftreten. Derartige Fehler in umgeformten Kunststoffverpackungen zu erkennen und damit die Ursachen zu ermitteln, sollte sich aus den Forschungsansätzen vom PtU für Blechbauteile bewerkstelligen lassen, so der Konsens aus den Vorbesprechungen.
„Einige mag es vielleicht überraschen, dass ein Institut, dass sonst mit Unternehmen aus der Blechverarbeitung und Umformtechnik zusammenarbeitet, nun einen Lebensmittelhersteller unterstützt. Aber die Prozesse ähneln sich. Vor allem im Bereich Qualitätskontrolle und künstlicher Intelligenz ist die Methodik viel wichtiger als das konkrete Endprodukt. Hier können wir branchenübergreifend unterstützen.“, erläutert Marco Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am PtU und KI-Trainer beim Mittelstand-Digital Zentrum Darmstadt.
Das überzeugte auch den Manager für Digitalisierung und Industrie 4.0 aus Frankfurt. Damit es nicht beim guten Gespräch blieb, leitete er ein Digitalisierungsprojekt in die Wege.
Das Projekt soll sich mit den oben geschilderten Problemen der Verpackung beschäftigen. Diese können den gesamten Produktionsablauf erheblich stören und wirken wie ein Flaschenhals auf den gesamten Fluss der Waren. Bislang werden die fertig verpackten Produkte bei älteren Verpackungslinien per manueller Sichtkontrolle auf dem Fließband kontrolliert, um fehlerhafte Produkte auszusortieren und fehlerfreie Produkte in Kisten für die Zwischenlagerung und den Transport zu sortieren.
Die Kontrolle funktioniert und entspricht den hohen hygienischen Standards, jedoch ist sie sehr zeitintensiv und es mangelt zudem an einer Datengrundlage. Warum wurde eine Verpackung aussortiert? Welche Fehlerursache könnte zugrunde liegen? Zukünftig soll dieser Schritt mit einer automatisierten Bilddatenerfassung und einer Auswertung durch smarte Algorithmen erfolgen. Die Sichtkontrolle übernimmt der Computer. Dadurch können Bilddaten und Produktionsdaten verglichen werden und helfen den Prozessverantwortlichen, Ursachen freizulegen. Die Experten vom Mittelstand-Digital Zentrum können dabei auf eigene Forschungserkenntnisse aus dem PtU zurückgreifen. Eine besondere Herausforderung sind jedoch die hohen Hygienestandards im Lebensmittelbereich, die bei der Erarbeitung eines Konzepts mitgedacht werden müssen.
Ziel ist es, dass in Zukunft die Lebensmittel weiterhin gut verpackt sind. Gleichzeitig soll weniger Ausschuss entstehen. So wird Müll reduziert, aber gleichzeitig werden die hygienischen Standards erfüllt, auf die wir uns alle verlassen, wenn wir verpackte Ware aus dem Supermarktregal greifen.